Donnerstag, 28. August 2014

Kinder, Küche, Knast – die Geschichten von Hanna und Elias


Was passiert mit Kindern, wenn ein Elternteil in den Knast muss? Diesem Thema nahmen sich diverse Zeitungen an. Ein Bericht, diesmal aus der taz, ist sehr interessant.


Hanna

878 Tage ohne Papa – so ist Titel des Artikels, der von der kleinen Hanna und ihrem Vater berichtet. Der Vater beging Kreditkartenbetrug und wurde verurteilt. Normalerweise darf ein Gefangener einmal die Woche für 40 Minuten Besuch empfangen, still sitzend an einem Tisch, wo man sich gegenüber sitzt in einem grauen und gefühllosen Raum. Hanna kann zusätzlich einmal im Monat für ein paar Stunden im Gefängnis Zeit mit dem Vater verbringen, in einer speziellen Gruppe für inhaftierte Väter.

Mir als Vater wird mulmig bei dem Gedanken nur einmal im Monat Kontakt zu meinem Kind zu haben, natürlich auch noch unter Beobachtung. Doch hier in Frankreich gibt es viele solcher Fälle, wo oftmals Väter nur einmal die Woche ein bis zwei Stunden Zeit haben, in einem „Besuchspunkt“, unter Aufsicht eines Psychologen, in einem kleinen Raum. Fotografieren verboten, zu enger Kontakt verboten, allein sein Verboten. Oftmals fehlt jede Begründung die eine solche Maßnahme rechtfertigt, für manche Richter reicht es aus, wenn die Mutter das so wünscht. Auch hier ist es wie mit den Kindern deren Vater im Gefängnis ist, sie verlieren fast jeden Kontakt, die Zeit ist zu kurz und der betroffene Elternteil und das Kind leiden unter dieser Situation.

So ist es natürlich auch bei der kleinen Hanna, die mit ihren 8 Jahren einmal im Monat den Vater für drei Stunden im Gefängnis besuchen kann. Sie hat Verlustängste, sie versteht diese Situation der Trennung nicht so richtig, der Vater fehlt, sie sackt in der Schule ab etc. etc. etc. Die Diakonie in Bielefeld organisiert und finanziert die Möglichkeit des Umgangs im Gefängnis. Ein Projekt das genau diesen Umgang sicherstellen soll, dass es ermöglicht sein Kind zu sehen, dass einem Mann und Vater ein Ziel gibt, wenn er entlassen wird.

Der Gefängnisalltag sieht für Hannas Vater folgendermaßen aus:

Von fünf Uhr morgens bis viertel vor zwei Mittags schält er in der Gefängnisküche Kartoffeln und spült Teller. Eine Stunde am Tag geht er im Innenhof spazieren. 14 Stunden täglich ist seine Zellentür zu.

Für das Spülen der Teller erhält Hannas Vater 140 €, von denen er 70 an seine Familie schickt und 70 für Duschgel, Schokolade und Deo ausgibt, zumindest laut taz, ich denke aber hier sind auch andere Dinge des täglichen Lebens, wie Kleidung, enthalten. Sein Tag besteht also aus Küchendienst, eine Stunde Hofgang und Zelle.

Wenn die kleine Hanna ihren Vater besuchen möchte sieht das Prozedere folgendermaßen aus bis die kleine Hanna die sieben Stahlgittertüren zu ihrem Vater hinter sich gebracht hat:

Ungeduldig hüpft Hanna von einem Bein aufs andere, als Mohme [die Betreuerin des Projets] dem Beamten am Eingang die Ausweise der Kinder durch eine Ausbuchtung in der Glasscheibe zuschiebt. Ihren Stoffhasen und die kleine Umhängetasche schließt Hanna im Raum nebenan zusammen mit den Geldmünzen aus ihrer Hosentasche in einem Schließfach ein. Gegenstände mit ins Gefängnis zu nehmen ist verboten. Drogen oder Waffen könnten dadurch hineingeschmuggelt werden. Wie am Flughafen gehen die Kinder durch einen Metalldetektor.

Natürlich muss man in einem Gefängnis besondere Maßnahmen ergreifen um Drogen oder Waffenschmuggel zu verhindern. Wie erniedrigend eine solche Prozedur jedoch für die kleine Hanna sein muss, braucht man nicht extra zu betonen.

Natürlich gibt es auch Aufnahmebedingungen in diese Väter-Kind-Gruppe:

Für die Teilnahme müssen die Väter sich bewerben. Straftäter, die Kinder missbraucht haben, nimmt die Sozialpädagogin und Gruppenleiterin Melanie Mohme, 37, nicht auf. In allen anderen Fällen spricht sie mit der ganzen Familie. Nur wenn alle einverstanden sind und Mohme den Eindruck hat, dass den Vätern eine stabile Beziehung zu ihrem Kind wichtig ist, nimmt sie jemanden auf.

Natürlich müssen alle Beteiligten einverstanden sein, die Diakonie wird nicht das Kind gegen den Willen der Betreuungsperson zum Vater bringen können. Auch klar, keine Straftäter die Kinder missbraucht haben.

Interessant ist auch:

Spielzeug gibt es sonst nur im Kinderbesuchszimmer der JVA. Acht Quadratmeter ist es groß. Wenig Platz, aber immerhin sind hier die Wände bunt statt grau, ein grünes Sofa steht vor dem Fenster und auf dem Boden eine Kiste mit Bauklötzen. Standard in allen deutschen Gefängnissen ist das Kinderzimmer noch lange nicht.

Man sieht also, wie hoch die Hürden sind um als Straftäter sein Kind sehen zu können! Würde es dieses Kinderbesuchszimmer nicht geben, müsste der Kontakt im grau gestrichenen, normalen Besuchszimmer, still am Tisch sitzen, erfolgen.


Elias

Eine andere Geschichte, diesmal in der Welt, erzählt vom kleinen Elias, der mit seiner Mutter auf 30 m2 in Fröndenberg lebt, es ist eines von 8 Mutter-Kind-Häusern in Deutschland. Es sind natürlich keine Mutter-Kind-Häuser, es sind Gefängnisse:

"Für die Frauen sind wir der Strafvollzug, für die Kinder dürfen wir das nicht sein", erklärt die Leiterin Susanne Wiethaup. Für die Töchter und Söhne der Gefangenen ist die MKE eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, eine Art Kinderheim. Die gemeinsame Unterbringung soll verhindern, dass die Kinder durch die Trennung von der Mutter Schaden nehmen. Von den elf Angestellten sind sieben ausgebildete Erzieherinnen.

In diesem Gefängnis gibt es natürlich auch Gitter:

Die einzigen Gitter, die es hier gibt, sind hellgelb und dienen lediglich als Balkonbegrenzung.

Man fragt sich, wo die hier die 7 schweren Stahlgittertüren untergebracht haben, durch die Hanna gehen muss um ihren Vater zu sehen. Auch der Tagesablauf von Elias Mutter ist sehr interessant:

In der winzigen Küche macht die 23-Jährige Frühstück und Abendbrot für ihre kleine Familie. Ihre Tage laufen immer ähnlich ab: Bis acht Uhr muss sie sich bei den Beamtinnen im Erdgeschoss gemeldet haben. So wird kontrolliert, dass alle Gefangenen noch da und wohlauf sind.
Von neun bis elf Uhr besucht sie mit Elias, sechs anderen Frauen und ihren kleinen Kindern die Spielgruppe. In zwei großen Räumen mit reichlich Spielzeug und eigenem Bällebad beschäftigen sich die Mütter mit den Kleinen. Um 11.30 Uhr gibt es Mittagessen, danach hält Elias Mittagsschlaf. Nachmittags sind sie frei.

Ja, Elias Mama darf ab 14 Uhr das Haus verlassen um in die Stadt zu gehen. Wöchentlich maximal 24h darf die Mutter frei umherlaufen um einkaufen zu gehen, ein Eis zu essen oder auf den Spielplatz. Um 18 Uhr muss sich die Mutter zurückmelden, um 20 Uhr muss Elias ins Bett, danach darf die Mutter noch bis 22:15 im Gemeinschaftsraum Fernsehen, dann werden die Gemeinschaftsräume verschlossen.

Ich frage mich, wo bekommt die Mutter das Geld her um einzukaufen und Eis essen zu gehen? Hannas Vater muss 8h im Gefängnis in der Küche arbeiten um etwas Geld für sich zu haben (140 €), von dem er auch noch die Hälfte an seine Familie weitergibt. Für Elias Mama gleicht dieser Aufenthalt eher einem Kuraufenthalt, bei der sogar die Strafvollzugsbeamtinnen ohne Uniform rumrennen.

Sie haben 2 große Spielzimmer, sogar mit Bällebad. Ganz praktisch ist auch die Kita, die für die 15 Frauen, die hier untergebracht sind, immer 9 Plätze vorgehalten. So können diese Frauen (max. also 9) dann in der Einrichtung arbeiten.

Was muss man jetzt gemacht haben um in diesen Wellnessknast zu kommen? Einem Kind den Lutscher geklaut haben, einen Hund getreten? Nein:

Viele sind Betrügerinnen, andere wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Gewaltdelikten verurteilt worden. Aber auch Mütter, die eines ihrer Kinder getötet haben, werden in Fröndenberg betreut.

Und zusätzlich:

"Bei Frauen und insbesondere bei Müttern verwarnen die Richter oft zunächst oder verhängen Ersatzfreiheitsstrafen oder Strafen auf Bewährung." Oft haben Frauen mehrere Straftaten begangen, bevor sie inhaftiert werden.

Huch nein, Gewalttäterinnen und Kindermörderinnen und auch oft noch Wiederholungstäterinnen. Wie sind denn die Aufnahmebedingungen für diesen Strafvollzug?

Allerdings nur, wenn die Mütter für den offenen Vollzug geeignet sind, die Justiz nicht befürchtet, dass sie flüchten oder weitere Taten begehen.

Laut taz Artikel ist Hanna’s Vater anscheinend nicht vorbestraft gewesen, zumindest hat man davon nichts erfahren. Doch hier werden Kindermörderinnen und Gewalttäterinnen, häufig als Wiederholungstäter, hinter gelben Balkongittern weggesperrt, weil sie für den offenen Vollzug geeignet sind, während man so schwere Kreditkartenbetrüger hinter 7 Stahlgittertore verbannen muss. Ich möchte den männlichen Kindermörder sehen, der für offenen Vollzug geeignet ist und hinter gelben Balkongittern mit seinen restlichen Kindern die Zeit verbringt bis er entlassen wird.

Dafür kann man dem Vater von Hanna nicht einmal im Monat ein wenig Zeit mit seiner Tochter außerhalb des Gefängnisses geben, denn er hat keine alten Omas zusammengeschlagen und keines seiner Kinder getötet, er hat mit Kreditkarten betrogen. Das man solche Schwerverbrecher, also Kreditkartenbetrüger, nur hinter 7 Stahlgittertore wegsperrt halte ich für mehr als fahrlässig! Solche Leute sollte man in die alten NVA Bunker stecken, am besten Lebenslag, während man Kindermörderinnen und Wiederholungsgewalttäterinnen doch gleich frei rumlaufen lassen kann.

Ebenso unterscheidet sich natürlich die Haftlänge im Mutter-Kind-Haus, in dem oft Wiederholungstäterinnen und Gewaltverbrecherinnen unterkommen, denn

Im Schnitt bleiben die Frauen eineinhalb Jahre in Fröndenberg

Na, ist ja auch ein Klax, Hannas Vater wurde zu viereinhalb Jahren verurteilt, davon darf ihr Vater zwei drittel verbüßen.


Ich bin mit Sicherheit kein Fan von „harten Strafen“, im Gegenteil. Meine Meinung hierzu hat VolkerPispers in Bis Neulich sehr gut zum Ausdruck gebracht.

Doch während Elias Mutter eine gute Sozialprognose erhält nur weil sie weiblich und Mutter ist, in einen offenen Vollzug kommt, selbst wenn sie Gewalttäterin gewesen wäre (was sie nicht war, genau wie Hannas Vater hat sie betrogen und Autodiebstähle begangen), muss Hannas Vater fast ganz ohne Kontakt zu seiner Tochter leben. Er kann nicht in einen offenen Vollzug um z. B. zu versuchen nebenbei Arbeiten zu gehen um etwas Geld für die Familie zu verdienen. Er darf nicht ein Wochenende oder mal in den Ferien eine Woche mit seiner Tochter Hanna im offenen Vollzug leben. Nichts, Nichts und nochmals Nichts, das einem Vater hier Hilfe oder gar Verständnis direkt am Anfang der Haftzeit entgegen bringt.

Nun kann es daran liegen dass Hanna bereits Schulpflichtig ist, denn auch im Mütter-Kind-Haus

werden nur Mütter aufgenommen, deren Nachwuchs bis zur Entlassung nicht schulpflichtig ist.


Doch die Prozeduren die die kleine Hanna über sich ergehen lassen muss sind grausam und schädlich für ein kleines Kind. Sie zeigen ihr bei jedem mal wie schwer doch das Vergehen ihres Vaters war. Das es in den meisten Gefängnissen keine Möglichkeiten gibt mit seinen Kindern etwas Zeit zu verbringen ist ein weiterer Skandal. Das die Zahl der Männergefängnisse hier jedoch fast ausnahmslos auf Hilfen von anderen Trägern angewiesen zu sein scheinen, ist nicht hinnehmbar. Wer einen Fehler gemacht hat, wer jemanden betrogen hat oder gewalttätig war muss dafür gerade stehen, keine Frage. Ob hier Haft die beste Möglichkeit ist wage ich zu bezweifeln. Doch dass es eine Ungleichbehandlung gibt, nur weil das Geschlecht unterschiedlich ist, das Kinder andere Prozeduren über sich ergehen lassen müssen, nur weil das Geschlecht der Eltern unterschiedlich ist, ist nicht mal mehr ein Skandal, es ist ein Verstoß gegen die Grundprinzipien unseres Rechtsstaates!

Alles in allem erinnern diese beiden Geschichten an die Foyer (Wohnheime) hier in Frankreich. Hier werden Menschen in Wohnungsnot untergebracht. Es gibt Familien-, Männer- und Frauenwohnheime, die Foyer für Männer gleichen eher billigen Zimmerhotels mit Etagendusche. Die Foyer für Frauen sind ausgestattet als Wohnheim für Frauen mit Kindern, natürlich ähneln sie eher einer kleinen Wohnung. Doch ein Mann, der mit seinen Kindern wohnungslos wird, scheint es in Frankreich nicht zu geben, denn es gibt keine Foyer für solche Fälle. Ebenso wie es in allen mir bekannten Männerwohnheimen (und das sind sehr viele in Paris und Umland) nicht mal einen Besuchsraum für Väter mit Kindern gibt. Besonders schwer wiegt hierbei, dass ein Richter bei der Vorverhandlung zur Scheidung einem der beiden Ehepartner, nämlich dem der die Kinder zugesprochen bekommt, oftmals ebenso die Ehewohnung zuspricht. Der andere hat dann in der Regel bis Monatsfrist die Ehewohnung zu verlassen! Natürlich, falls er einen Platz erhält, in einem Foyer, wo er dann nicht mal seine Kinder sehen kann. Erhält er keinen Platz im Foyer und hat auch sonst kaum noch Ressourcen, darf er dann in der U-Bahn nächtigen. Väter kennt auch der französische Staat nur als Steueresel, die Geld beschaffen sollen. Womit die Situation der Foyer hier gleich der von dt. Gefängnissen zu sein scheint.
 

2 Kommentare:

  1. Es ist zum Schreien! Die Forderung von Feministinnen Frauengefängnisse komplett abzuschaffen, weil Frauen ja von Natur aus gut sind und ganz besonders in Gefängnissen leiden, liegt nicht mehr in weiter ferne.

    Wie es den Männer dort geht interessiert niemanden. Das sind ja schließlich Straftäter. Was für eine Welt!

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  2. gut, dass der Autor sich so gut mit betroffenen Kindern auskennt. Ob er sich bereits mit einem Kind unterhalten hat?

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